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#4: Beuteschema & Glaubenssätze

Wir spielten eine neue Rund „Warum sind Männer solche Arschlöcher?“.
Nachdem sich alles wochenlang, monatelang wie auf weichgepolsterten Wolken anfühlte, kam der tiefe Fall.
„Er mag mich echt gerne, aber da gibt es eine Andere“, weinte meine Freundin in ihren Aperol Spritz.
Wie konnte es sein, dass sie und letztendlich jede einzelne von uns immer wieder in denselben frustrierenden Situationen landete, wenn es um Männer und Beziehungen ging? In meinem eigenen Liebesleben hatte ich oft genug das Gefühl, dass ich wie ein Magnet für die falschen Männer wirke.

Waren wirklich alle Männer unbrauchbar und falls ja, wie könnten wir diesem Teufelskreis entkommen?

Je mehr wir darüber sprachen, desto mehr fragte ich mich, ob es tatsächlich eine universelle Gesetzmäßigkeit sein konnte, der wir zum Opfer fielen.
Gab es eine kosmische Regel, der wir folgten oder konnte die Antwort tiefer liegen? – Tiefer in uns selbst?

Ich trat einen Schritt zurück und erforschte meine inneren Überzeugungen.
Hatte ich ein Henne-Ei-Dilemma?
Was war zuerst da? – Die verkorksten Typen oder meine verkorksten Glaubenssätze, dass ich immer die zweite Wahl sein würde?

Wann sich solche Glaubensmuster in uns verankern, weiß ich nicht. Dazu hat jeder wohl seine eigene Theorie, aber dass sie Einfluss auf unser weiteres Leben nehmen, das wurde mir immer klarer. Mein Überzeugungen formten meine Erwartungen schon vor dem ersten „Hallo.“ Sie nahmen vergangene Herzbrüche und extrapolierten sie in die Zukunft. Sie wurden zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung und so spiegelte mein Beziehungsmuster mein Dogma wieder.

So schuldig ich mich zuerst für meine vergangenen Liebesdramen fühlte, so eigenverantwortlich fühlte ich mich danach. Es hatte etwas beruhigendes zu erkennen, dass ich die Muster in meinem Leben beeinflussen kann.

Anstatt den Fokus auf die Kerle da draußen zu legen, sollten wir uns darauf konzentrieren, was in uns vorgeht. Welche Glaubenssätze tragen wir in uns, die uns immer wieder dazu bringen, ähnliche Entscheidungen zu treffen?

Denn immer, wenn du den gleichen Scheiß denkst, bekommst du auch den gleichen Scheiß serviert. Dass du mal der Hund bist und mal der Baum, ist vollkommen normal. Manchmal passt es einfach nicht, manchmal läuft was gehörig schief und ja, manchmal ist der Typ auch ein Arsch.
Aber, wenn jede deiner Beziehungskisten wie ein Blueprint der vorangegangenen wirkt, gerade so, als hätte das Universum sie in Massenproduktion für dich auf Lager liegen, dann ist das DAS Indiz dafür, dass deine Glaubenssätze sich immer und immer wieder manifestieren. Dann bist du nicht an den Falschen geraten, sondern der Falsche ist dein Beuteschema.

#3: Selbstliebe

Ich habe eine Freundin, die sich drei viertel des Jahres nicht für liebenswert hält und in den restlichen drei Monaten hat sie gerade jemanden kennengelernt.
Frisch verknallt, zählt sie dann all die wunderbaren Seiten an sich auf, die ihre neue Flamme entdeckt hat und sagt „Eigentlich hat er ja gar nicht unrecht. Ich bin ja wirklich ganz gut organisiert, witzig, sportlich, oder jegliches anderes Adjektiv mit positiven Eigenschaften“.
Wenn das erste Beschnuppern und Kennenlernen dann vor den Pforten des „Talks“ steht und es für Phase 2 nicht reicht, sind all die wunderbaren Erkenntnisse passé.
„Was kann an mir nicht stimmen, dass er mich nicht wollte? Warum war ich nicht gut genug?“

Von einem engeren Freund wird sie dann dafür gescholten, dass sie sich von der Beurteilung eines Mannes so abhängig macht. Ihm würde das nie passieren, denn er tut so, als täte er es nicht. Tut es aber trotzdem.
Der Grund warum er sich selten Gedanken über Zuneigung oder Ablehnung einer anderen Person macht, ist, dass er sich schlichtweg von neuen Begegnungen fern hält und so der Gefahr aus dem Weg geht. Während er seine Bindungsangst unter dem Deckmantel der Unabhängigkeit versteckt, rafft sich unsere Freundin vom Boden ihres Liebeskummers wieder auf.
„Manchmal fühlt sich die Liebe an, wie ein endloser Catwalk, den ich in 18 cm hohen High Heels und Meerjungfrauenkleid herunterstolziere und versuche, nicht über meine eigenen Füße zu fallen.“

Und so macht sie es auch dieses Mal. Tapfer läuft sie mit ihren aufgeschlagenen Knien auf den nächsten Preisrichter zu und gibt ihre frisierte Sedcard ab, aus der sie all ihre Ecken und Kanten rausgeschwärzt hat, um dieses Mal hoffentlich nicht abgelehnt zu werden.

Ist Dating die älteste Castingshow der Welt?

Wieso machen wir Menschen unseren Selbstwert immer wieder von der Meinung eines Anderen abhängig? Wieso glauben wir, nur dann Liebe zu verdienen, wenn sich jemand anderes dazu bereit erklärt, sie uns zu geben? Es ist ähnlich wie die Sache mit dem Baum, der einsam und alleine im Wald umfällt. Macht er ein Geräusch, wenn niemand da ist, der es hören kann? Sind wir liebenswert, wenn niemand da ist, um es uns zu attestieren? Ist meine Freundin nicht organisiert, witzig, sportlich oder Ähnliches, wenn niemand da ist, der das erkennt?
Und wie ist das bei uns? Benötigen wir auch den Blick von außen?
Stolzieren wir vielleicht direkt neben ihr auf diesem holprigen Laufsteg.

Wenn Dating schon die alltägliche Castingshow unseres Lebens ist, wollen wir uns dann nicht lieber in den Jurorensessel setzen, eingehüllt in Selbstliebe und all den potentiellen Kandidaten unseres Liebeslebens zurufen: Zeig, was du hast?

#2 Sind wir schon da?

Jacqueline war glücklich und irgendwie auch nicht. Vor einigen Wochen hatte sie diesen tollen Typen kennengelernt und sich augenblicklich verknallt. Er führte sie zum Essen aus, unternahm tolle Sachen mit ihr und manchmal telefonierten sie stundenlang. Doch anstatt sich entspannt zu fühlen und das alles zu genießen, war Jaqueline getrieben und unruhig. Was war los?
„Wir verstehen uns so wahnsinnig gut und alles ist perfekt. Ich verstehe nicht, auf was er noch wartet“, erzählte sie mir. „Wo bleibt das Ich liebe dich, wann lerne ich endlich seine Familie kennen und wann fragt er mich, ob wir zusammenziehen? Ich habe keine Lust mehr, ständig nur unverbindlich herumzudümpeln, ohne zu wissen, wo die Reise hingeht. Immerhin möchte ich auch einmal Kinder haben und das nicht erst im Rentenalter.“ Kurzum: Wann sind wir endlich da?
„Wie lange trefft ihr euch jetzt schon?“, fragte ich mehr reflektierend als unwissend.
„Vier Wochen sind´s bestimmt schon!“
„Wollt ihr euch nicht erstmal die Zeit nehmen, euch richtig kennenzulernen und herausfinden, ob ihr das Gleiche vom Leben möchtet?“
Als ich Jaqueline so anschaute, fragte ich mich, wieso wir Menschen es in der Liebe ständig so eilig hatten. Ich weiß nicht, wie das bei Männern ist, aber bei Frauen scheinen Beziehungen auf der Überholspur stattzufinden.
Ist es wichtig, schnellstmöglich alles verbindlich zu machen oder brauchen wir in Liebesdingen ein Tempolimit?

Andreas gab sich unglaublich viel Mühe. Er überraschte Jaqueline mit einem süßen Picknick, schickte ihr über den Tag verteilt kleine Lebenszeichen und liebevolle Nachrichten und kochte nach einem anstrengenden Tag für sie. Wenn er sie sah, leuchteten seine Augen und er wurde ein wenig tollpatschig. Er genoss ihre Gesellschaft sehr und man konnte ihm ansehen, wie er sich immer mehr verliebte – langsamer als sie, aber sie waren auf der gleichen Reiseroute.
Während Andreas sich für die Reise allerdings einen Oldtimer ausgesucht hatte und gemütlich spazieren fuhr, war das für Jaqueline absolut inakzeptabel. Er hatte genug Zeit und Geduld im Gepäck, um auch an den schönsten Momenten ihres Kennenlernens zu verweilen, sie voll auszukosten und sich treiben zu lassen. Ihr Navi war auf Ehehafen eingestellt, schnellste Route, Porsche 911, Überholspur, freie Fahrt.

Jede Rast, jeder Zwischenstopp machte sie nervös. Wird er hier abspringen? War sein Navi überhaupt auf das gleiche Ziel eingestellt? Sie glaubte, es müsse etwas bedeuten, wenn er nicht von Meilenstein zu Meilenstein hetzte. Wieso ist der nächste Schritt noch nicht in Sicht?

Je länger es dauerte, desto mehr drückte sie aufs Gaspedal und je mehr Tempo sie aufnahm, desto mehr drückte er auf die Bremse. Subtile Anmerkungen ihrerseits wurden zu spitzen Pfeilen, die sie vor allem gerne in Gesellschaft anderer abschoss.

Irgendwo zwischen „Ich mag dich wirklich gerne“ und „Aus uns könnte etwas werden“ trennten sich ihre Wege. Jeder reiste alleine weiter, jetzt mit etwas schwererem Gepäck und mit einer Erkenntnis: Die Liebe ist zwar wie eine Reise, jedoch geht es nicht bloß darum, anzukommen, sondern sich gemeinsam auf den Weg zu machen. Es geht nicht nur darum, an allen Etappenzielen vorbeizufliegen, sondern diese Momente eine Weile zu genießen. Vielleicht sogar gerade so lange, dass die Sehnsucht einen weitertreibt. „Wie schön, dass wir das hier zusammen erleben. Wenn wir beide soweit sind, dann fahren wir weiter. Hauptsache wir sind zusammen.“

Dann, auf einmal, hat man es gar nicht mehr eilig, denn dann ist man schon jetzt am Ziel – man ist jetzt schon glücklich.

#1 Glück & seine Dramen

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Gestern hatte ich Lust auf Liebe. Also machte ich es mir bequem und suchte nach einem rührseligen Film. Du weißt schon, einen, der herzerwärmend romantisch ist und der den Zuschauer mit einer leisen Hoffnung auf das eigene Happy End zurücklässt.
Ich entschied mich für einen Film aus dem Jahr 1999, denn meiner Meinung nach wurden zu dieser Zeit noch großartige Liebesfilme gedreht.

Da ist also dieser Protagonist, eingehüllt in seinen Schmerz darüber, dass er seine Frau verloren hat. Seit ihrem Tod hat sich seine Uhr praktisch nicht weitergedreht. In seinem Haus sind all ihre Sachen noch genauso arrangiert, als würde sie in der nächsten Sekunde durch die Türe kommen. Ein schicksalhafter Zufall will, dass sich eine Reporterin auf die Suche nach ihm macht und sich in ihn verliebt. Ein Teil seines Herzens öffnet sich ihr, aber tief im Inneren wünscht er sich seine verstorbene Frau zurück.
Er muss sich entscheiden. Will er sich weiter an die schmerzhafte Vergangenheit klammern oder schafft er es, loszulassen und sich eine neue Zukunft aufzubauen.

Endlich, nach einer Stunde und neunundvierzig Minuten steuern wir auf das ersehnte Happy End zu. Er hat eine Entscheidung getroffen. Hoffnungsvoll, entschlossen, klarsichtig macht er sich auf den Weg. Es gibt nur diese eine Sache, die er vorher noch tun muss, um mit der Vergangenheit abzuschließen. Also segelt er davon, dem Horizont entgegen und ertrinkt.
Ertrinkt?

Er ertrinkt und statt dem gefühlvollen Happy End bekomme ich ein schweres Herz, mit dem ich nun auf meiner Couch zurückbleibe.
Was ist das nur für eine Angewohnheit von Filmemachern, es originell zu finden, dem Zuschauer das Herz zu brechen. Sollte es wirklich Sinn und Zweck eines gemütlichen Filmeabends sein, dass man sich danach elendiger fühlt als zuvor?
Warum wird uns immer wieder suggeriert, dass Glück nur der Warteraum zum Unglück ist?
Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr Fälle fielen mir ein:

Es lässt sich endlos weiterführen. Ist es da noch ein Wunder, dass wir uns auch im wahren Leben mit dem Glück schwer tun? Jedes Mal, wenn wir optimistisch in die Zukunft blicken, müssen wir ja Angst haben, dass uns ein Laster überrollt, der finanzielle Ruin über uns hineinbricht oder sonst ein kurioser Schicksalsschlag uns ereilt.

Natürlich erlauben wir es uns also nicht, das Glück zu finden. Natürlich bekommen wir eine Panikattacke, wenn mal alles gut läuft und weit und breit kein Problem in Sicht ist. Natürlich genießen wir all die schönen Momente im Leben nicht, sondern suchen immer nach dem Haken. Uns wurde das so beigebracht. „Gerade, wenn du dich vom Leben tragen lässt, holt dich der Teufel“ oder in Herzensangelegenheiten:
„Je größer die Dramen, desto größer die Liebe.“ Erst dann ist eure Geschichte erzählenswert.
Wenn dein Partner dir das Herz bricht, wenn er ein therapeutischer Problemfall ist, eurer Liebe tausende von Steinen im Weg liegen oder der Tod ihn holen kommt. Je mehr Kraft es dich kostet, desto wahrhafter ist deine Liebe. Es überrascht mich nicht, dass so viele Menschen bis zur Aufopferung für ihren Partner gehen und sich deshalb für tugendhaft halten. Einfach kann ja jeder.

Disney wird oft dafür verhöhnt, dass er uns eine unrealistische Vorstellung von Liebe gegeben hat. Aber, verdammt nochmal, so wunderbar kitschig und magisch sollte es doch sein. Wir sollten uns ausgelassen freuen dürfen, dem Glück vertrauen, wenn es an unsere Türe klopft und noch mehr Schönes von unserer Zukunft erwarten.
Gut, es scheint vielleicht nicht jeden Tag die Sonne, man muss nicht gleich nach dem ersten Kuss heiraten und diese Konstellation von Prinz und Prinzessin ist auch etwas überholt.
Aber „sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“ sollte doch das Mindeste sein, dass wir von Liebesfilmen & Beziehungen erwarten dürfen.